Alle weg, FOMO da – die Angst etwas zu verpassen

Sophie Schenk

Von Sophie Schenk

4 min
Eine Frau sitzt auf einer Matte in einem Park und telefoniert, neben ihr liegt ein Buch. Hinter ihr ist ein illustrierter Social-Media-Post zu sehen, der eine Person im Badeanzug unter einer Palme am Wasser zeigt.

Im Garten ein Buch lesen, während die Sonne dein Gesicht wärmt – das klingt nach purer Entspannung. Ein kurzer Blick aufs Handy, ein paar Minuten auf Social Media. Und da ist es schon: das Bild vom Meer, ein Städtetrip, die Aussicht aus dem Flugzeugfenster. Plötzlich fühlt sich dein Moment gar nicht mehr so erholsam an. Was, wenn du etwas verpasst?

Genau dieses Gefühl beschreibt das Phänomen FOMO, „the Fear of Missing Out“, also die Angst, etwas zu verpassen. In diesem Artikel erfährst du, was dahinter steckt, warum wir für FOMO – generell, aber besonders in der Urlaubszeit – so empfänglich sind, und was du tun kannst, um besser damit umzugehen.

Was ist FOMO eigentlich genau?

FOMO beschreibt die Angst, etwas zu verpassen – besonders dann, wenn andere gerade etwas Schönes, Spannendes oder Bedeutungsvolles erleben. Im digitalen Zeitalter ist dieses Gefühl allgegenwärtig: Auf Social Media sehen wir ständig, was andere tun – und fühlen uns schnell, als würden wir selbst nicht genug erleben oder nicht dazugehören. Gerade an Urlaubstagen, wenn eigentlich Zeit für Erholung wäre, entsteht oft ein neuer Druck: Alle sind unterwegs – nur ich nicht?

FOMO kann flüchtig sein – wie ein kurzer Stich beim Scrollen – oder sich zu einem belastenden Dauerzustand entwickeln. Menschen mit stark ausgeprägtem FOMO erleben häufiger Gefühle wie Einsamkeit, soziale Unterlegenheit oder das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Typisch ist ein innerer Drang, ständig online und auf dem Laufenden zu bleiben, um ja nichts zu verpassen.

So wirkt FOMO auf uns

Hinter FOMO steckt ein zutiefst menschliches Bedürfnis: das nach sozialer Zugehörigkeit. Die psychologische Selbstbestimmungstheorie beschreibt soziale Verbundenheit als einen zentralen Baustein für Motivation und mentales Wohlbefinden. Wenn dieses Bedürfnis nicht erfüllt wird – etwa, weil wir uns ausgeschlossen oder „weniger erfolgreich“ als andere fühlen – entstehen negative Emotionen wie Unzufriedenheit, Unsicherheit oder Angst.

Soziale Medien verstärken diesen Effekt: Sie zeigen uns in Echtzeit, was andere erleben, feiern oder erreichen – meist gefiltert, bearbeitet und idealisiert. Online-Inhalte sind fast immer positiv verzerrt. Die psychologische Theorie der Selbstdiskrepanz beschreibt, dass wir auf Social Media oft eine idealisierte Version unserer selbst zeigen (ideal self) – während unser echtes Selbst (actual self) im Hintergrund bleibt. Diese Diskrepanz kann zu Frust führen, wenn wir beginnen, uns mit diesen scheinbar perfekten Leben zu vergleichen. Studien zeigen: Sozialer Vergleich gilt als einer der wichtigsten Prädiktoren für FOMO.

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Auch das Belohnungssystem im Gehirn spielt eine Rolle: Likes, Nachrichten oder neue Inhalte aktivieren den sogenannten mesolimbischen Dopaminpfad – ein zentraler neuronaler Kreislauf, der für die Verarbeitung von Belohnung, Motivation und Freude verantwortlich ist. Das motiviert uns, immer wieder auf unser Handy zu schauen – aus Angst, etwas zu verpassen und in der Hoffnung auf Verbindung.

FOMO ist also kein oberflächliches Phänomen, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus psychologischen Bedürfnissen, sozialen Dynamiken und digitalen Gewohnheiten. Und genau deshalb trifft es viele von uns so tief.

Warum ist FOMO gerade im Sommer so präsent?

Urlaub ist eigentlich dafür da, zu entspannen und neue Kraft zu schöpfen. Doch durch Social Media entsteht schnell das Gefühl, man müsse auch im Urlaub „etwas leisten“: möglichst viele tolle Erlebnisse, schöne Bilder, neue Orte. Wenn du dich dann entscheidest, zu Hause zu bleiben oder bewusst ruhige Tage einzulegen, kann leicht der Gedanke entstehen: „Alle erleben mehr als ich.“

Aber: Nur weil du nicht verreist bist, heißt das nicht, dass dein Urlaub weniger wertvoll ist.

Erholung ist keine Leistung. Und Vergleiche trüben oft den Blick für das, was du wirklich brauchst.

5 Tipps gegen FOMO

Hier ein paar Impulse, die dir helfen können, besser mit FOMO umzugehen – nicht nur im Urlaub:

1. Frag dich: Was brauche ich gerade wirklich?

Willst du gerade wirklich etwas erleben – oder hast du nur das Gefühl, du müsstest? FOMO macht uns oft vor, dass Aktivität gleich Wert bedeutet. Doch manchmal brauchst du einfach: Ruhe, Nähe, Leichtigkeit – nicht mehr und nicht weniger.

💡 Probier’s mal aus: Wenn du das nächste Mal das Bedürfnis hast, etwas zu tun, nur weil andere es tun, halte inne und überprüfe kurz, ob du es wirklich tun musst:

  • Was hoffe ich, dass mir diese Erfahrung bringt?
  • Brauche ich gerade Aufregung, Gemeinschaft oder Ruhe?
  • Gibt’s einen einfacheren Weg, das heute zu erreichen?

2. Erlebe bewusst – statt perfekt

Auch kleine Momente zählen: ein gutes Buch, ein Spaziergang, ein Gespräch mit einem lieben Menschen. Sie erscheinen auf Social Media vielleicht nicht spektakulär – aber sie können genau das sein, was dich innerlich wirklich stärkt.

💡 Probier’s mal aus: Such dir einen ganz normalen Moment in deinem Tag aus – deinen Morgenkaffee, einen Spaziergang, eine ruhige Pause – und konzentrier dich voll und ganz darauf. Kein Multitasking, kein Scrollen. Sei einfach nur in diesem Moment.
Willst du noch einen Schritt weiter gehen? Schreib am Ende des Tages eine Sache auf, die dir Spaß gemacht hat und die du nicht gepostet hast. Mit der Zeit hilft dir diese einfache Gewohnheit, deinen Fokus von der Leistung auf die Gegenwart zu verlagern.

3. Nimm dir Zeit für Achtsamkeit

Studien zeigen, dass achtsames Erleben und Selbstmitgefühl helfen, FOMO zu reduzieren. FOMO beginnt im Kopf: Es verzerrt unsere Wahrnehmung und beeinflusst unser Verhalten. Achtsamkeit hilft dir, im Hier und Jetzt zu bleiben – deine Gedanken und Gefühle wahrzunehmen, ohne sie sofort zu bewerten.

Achtsamkeit schafft einen Moment der Pause zwischen Reiz und Reaktion – und genau dieser Abstand hilft dir, nicht automatisch zum Handy zu greifen oder dich in Vergleichen zu verlieren.

💡Tipp: Wenn du mehr über Achtsamkeit lernen möchtest, entdecke unsere Ressourcen zu Selbstfürsorge und Achtsamkeit.

4. Mach Social-Media-Pausen & Finde Alternativen

Gezielte Social-Media-Pausen schaffen Raum, um wieder bei dir selbst anzukommen – statt dich ständig mit anderen zu vergleichen. Ganz auf das Scrollen zu verzichten, fällt jedoch oft schwer – vor allem, wenn es fest in deinem Alltag verankert ist. Anstatt dich nur auf Willenskraft zu verlassen, ersetze die Gewohnheit durch etwas, das ein ähnliches Bedürfnis stillt: Schreib einer Freundin, greif zum Tagebuch oder geh kurz nach draussen. Du entziehst dich nicht einfach – du lenkst deine Aufmerksamkeit bewusst auf etwas, das dir guttut und dich im Moment verankert.

💡 Tipp: Nimm an unserer 7-Tage-Wellbeing-Challenge teil – und finde heraus, wie du deinen Umgang mit Social Media gesünder, bewusster und entspannter gestalten kannst.

5. Entdecke JOMO – die Freude am Verpassen

JOMO („Joy of Missing Out“), ist die Gegenbewegung zu FOMO. Es geht darum, bewusst Reizüberflutung auszuschalten, innere Ruhe zu finden und selbst zu bestimmen, was dir gut tut. Nicht zurückziehen, sondern bewusst wählen, was du erleben und teilen möchtest – und was eben nicht.

💡 Beispiel: Du bist zu einer Party eingeladen, doch nach einer langen Woche entscheidest du dich bewusst für einen ruhigen Abend zu Hause mit deinem Lieblingsessen und einem Film. Nicht aus Angst, etwas zu verpassen, sondern weil dir Erholung wichtig ist. Das ist JOMO: bewusst das zu wählen, was du wirklich brauchst, statt dem zu folgen, was du vermeintlich tun solltest.

Dein Sommer, dein Tempo

Du musst nichts beweisen – nicht dir und nicht dem Internet.
Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse, auch im Urlaub. Ob du unterwegs bist oder zu Hause bleibst: Du darfst genießen, was dir gerade guttut.

Denn wenn du ständig nachsiehst, was andere gerade erleben, verpasst du vielleicht das Wichtigste: Den Moment, den du selbst gerade erlebst.

Und genau der – ganz egal, wie unspektakulär er scheint – kann der wertvollste sein.

Hast du mit FOMO oder anderen Gefühlen zu kämpfen?

Sprich mit einem*r unserer Psycholog*innen – wir sind für dich da.